Kunst und Jazz

Das Festival visuell gestalten



Künstlerische Zusammenarbeit bei Enjoy Jazz

Das Jahr 2021 markierte den Startschuss für die Kooperation zwischen dem Enjoy Jazz Festival und einer Künstlerin/einem Künstler mit dem Ziel der Gestaltung eines Kunstplakates als Aushängeschild für das Festival. Kuratiert wird die Reihe von der Kunsthistorikerin und Journalistin Maxi Broecking. 


Zum Auftakt konnte die nigerianisch-norwegische Künstlerin Frida Orupabo gewonnen werden, die sich in ihren Arbeiten mit den Verbrechen des Kolonialismus und deren Auswirkungen bis in die heutige Zeit sowie mit Rassismus- und Geschlechter-Stereotypen auseinandersetzt. Orupabos Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen in Museen, sowie auf den Kunstbiennalen in Venedig und Saō Paulo gezeigt.

Im Zuge dieser Kooperation möchte das Festival Künstler:innen, die durch Jazz und Improvisierte Musik zu ihrer Kunst inspiriert werden oder diese klangbiografisch reflektieren, dazu einladen, das künstlerische Festivalplakat zu gestalten oder für die Gestaltung ein bereits vorhandenes Motiv zur Verfügung zu stellen.

Geplant ist zudem eine begleitende Ausstellung des Künstlers/der Künstlerin  sowie die Auflage einer limitierten Edition, deren Erlös gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung gestellt wird.


Die Kuratorin

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Maxi Broecking (* 1969 in Berlin)


ist als Journalistin für Die Zeit, Der Tagesspiegel, Taz, Kunstzeitung, Fono Forum, Jazz Thing, RBB und Byte FM sowie THE:ARTIST zu den Themen Jazz, Improvisierte Musik und Zeitgenössische Kunst tätig. Seit 2021 ist sie Kuratorin der Reihe Jazz + Kunst des Enjoy Jazz Festivals sowie Gründerin der Plattform THE:ARTIST, einem digitalen Raum für Artikel und Interviews mit Künster*innen, Forscher*innen und Kurator*innen zur Zukunft der Kunst und Kunstwahrnehmung in Bezug auf Intersektionalität, Diversität und Dekolonisierung. Maxi Broecking lebt mit ihrer Familie in Berlin.


Das Festivalplakat 2023


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Zanele Muholi


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Festivalplakat 2023

(Credit Zanele Muholi)

Muholi die/der sich selbst als non-binary bezeichnet, ist als visuelle/r Aktivist/-in international für ihre/ seine Auseinandersetzung mit dem schwarzen queeren Körper bekannt. In Form von verschiedenen fortlaufenden Reihen ebenso wie in ihrer/seiner bekanntesten Reihe der Selbstportraits „Somnyama Ngonyama/Hail the dark Lioness“, die sowohl auf der Venedig-Biennale prominent gezeigt wurde, wie auch in der Tate Modern in London, im Museum für Fotografie in Paris, in der National Gallery of Iceland in Reykjavik und in vielen weiteren Museen weltweit. Zur Zeit sind ihre/ seine Arbeiten im San Francisco Museum of Modern Art SFMOMA zu sehen, im MUDEC in Mailand sowie im Kunstmuseum Luzern.

Für das diesjährige Plakat von Enjoy Jazz hat Zanele Muholi aus dieser Serie mehrere Selbstportraits aus Selbstportraits gestaltet.

Muholi war 22 Jahre alt, als die Apartheid 1994 offiziell beendet wurde, doch die strukturellen Erfahrungen und Folgen rassischer Klassifizierung und eines heteronormativen Wertesystems sitzen tief. Die Selbstportraits sind ein Weg der Selbstheilung.

So finden sich auf Muholis Instagram-Account immer wieder die Hashtags #race_love_ gender_politics oder auch #selflove. Das Ausmaß des postkolonialen, sich in allen Gesellschaftsbereichen auswirkenden Ras- sismus, hat sich schmerzhaft in die Seelen und Körper der Schwarzen Bevölkerung Südafrikas eingegraben.

Im Februar 2021 gründete Muholi die „BaMu Arts Foundation/Muholi Arts Project“, um Kunst und Bildung im ländlichen Raum erfahrbar zu machen sowie durch kreativen Ausdruck und diskursives Denken die Erzählung der anerzogenen Abwertung zu verändern und Heilung zu ermöglichen.

2022 gründete Muholi in Kapstadt das „Muholi Art Institute“ zur Förderung Schwarzer Künstler:innen aus der Queer Community. Bis heute ist die Schwarze Frauen- und Queer-Bewegung als Teil der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung weitgehend unsicht- bar. Muholi erweitert den visuellen Aktivismus um die Darstellung der Schwarzen LGBTQIA+ Bewegung und entwirft damit ein universelles Narrativ.

Muholis Arbeiten schaffen Sichtbarkeit, um Veränderungen in queerphoben Räumen herbeizuführen und die Realitäten von Menschen zu dokumentieren, deren Leben als Teil des Kanons ausgeschlossen wird. Sie werfen die Frage auf, wie Selbstermäch- tigung wirksam werden sowie Machtstrukturen offengelegt und verändert werden können. Dabei bleiben Muholis Arbeiten in ihrer Radikalität, ihrer Ehrlichkeit und ihrem Stolz Formen von Beharrlichkeit, Zärtlichkeit und Zuflucht.


Das Festivalplakat 2022


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Iñaki Bonillas

(Credit Kyrre Skjelby Kristoffersen)

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Festivalplakat 2022

(Credit Iñaki Bonillas)

„Filmmusik für ein Standbild“, nennt der 1981 in Mexiko City geborene Fotokünstler Iñaki Bonillas das Motiv, das er für das Plakat des diesjährigen Enjoy Jazz Festivals bearbeitet hat.  Es zeigt einen Mann inmitten auffliegender Tauben auf dem Markusplatz in Venedig, wahrscheinlich aufgenommen in den 1970er Jahren, und hält diesen kurzen Moment fest, der zu einer Erzählung wird, zu einem imaginären Film. Die Farben sind verblasst, das Bild undeutlich. Es zeigt den Vater des Künstlers und begleitete ihn, nach dessen frühem Tod, durch seine Kindheit, als Portrait eines glücklichen, verspielten Moments und verknüpft mit der Musik, die der Vater liebte, dessen Plattensammlung Iñaki Bonillas seitdem begleitet und welche die Tonspur dieser Filmmusik bildet: Jazz. Bonillas ist kein Fotograf im üblichen Sinn. Er, der sich selbst als „attic photographer“, als „Dachboden-Fotograf“ bezeichnet, arbeitet mit fotografischen Fundstücken, die er in einen neuen Kontext stellt und mit der Gegenwart verknüpft.

So wird Erinnerung zu einer möglichen Erklärung und Neubestimmung von Gegenwart. Seine Arbeiten wurden u.a. auf der Biennale in Venedig gezeigt und im Museum of Modern Art in New York. Dabei ist sein Bildarchiv zum großen Teil eng mit seiner Familiengeschichte verknüpft. Für „Soundtrack for a Still“ hat er Freunde gefragt, die seine Leidenschaft für Musik teilen, welches Jazzstück sie für dieses Bild wählen würden. Als Ergebnis wurde die Arbeit fünfmal nebeneinander gezeigt, jeweils mit Kopfhörern, die dazu eine andere Musik spielten, was im Ergebnis der  akustischen Bedeutungsverschiebung wirkte, als wären es fünf verschiedene Fotografien. Es sei seinem Vater zu verdanken, dass er anfing, sich selbst zu Jazz hingezogen zu fühlen. Durch dessen umfangreiche Musiksammlung habe er begonnen, selbst Platten zu sammeln. Es gehe ihm in der Arbeit „Soundtrack For A Still“ darum zu verstehen, wer sein Vater war und dass er selbst sich Jazz nähern konnte, weil diese Musik ihm so wichtig war. Als Verbindung der Vergangenheit in die Gegenwart, als Tonspur eines Standbilds.



Das Festivalplakat 2021

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Frida Orupabo

(Credit Kyrre Skjelby Kristoffersen)

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Festivalplakat 2021

(Credit Frida Orupabo)

Das Festivalmotiv 2021 kommt von der Künstlerin Frida Orupabo, einer der spannendsten Protagonistinnen der gegenwärtigen Kunstszene. Die 1986 in Sarpsborg, Norwegen geborene Orupabo lebt und arbeitet heute in Oslo. Ihre künstlerische Praxis besteht aus dem Sammeln von medialen und persönlichen Bildern, die sie auf ihrem Instagram-Feed @nemiepeba digital archiviert
und in analogen Collagen umsetzt.
In ihrer Kunst setzt sich Frida Orupabo provokant und außergewöhnlich mit Rassismus auseinander. Das Grundmaterial für ihre digitalen Collagen: Verstörende Assemblagen aus Bildfragmenten kolonialer Archive und Ausschnitten US-amerikanischer Filme, in denen sie Fragen zu Rasse, Familie, Geschlecht, Sexualität, Gewalt und Identität stellt, indem sie die Bilder dekontextualisiert, defragmentiert und überlagert.

Ihr Motiv für das Festival entstand aus einer Überlagerung der Collagen-Motive ihrer Frankfurter Portikus-Ausstellung. Assoziationen mit Unterdrückungs- und Gewalterfahrungen, kolonialer Vergangenheit und deren Verknüpfung mit der noch heute daraus resultierenden abwertenden Wahrnehmung nicht-weißer Hautfarbe und nicht-westlicher Kulturen, werden als Netz feiner Verzweigungen sichtbar. Orupabo selbst machte die Erfahrung von der – auch auf dem diesjährigen Festival thematisierten – Intersektionalität, der mehrfachen Diskriminierung als Person of Colour aufgrund ihrer nigerianischen Wurzeln, und als Frau.