Cécile McLorin Salvant – Die heilende Kraft der kleinen Katastrophe

Die amerikanischen Sängerin Cecile McLorin Salvant wird von Publikum wie Kritik gleichermaßen gefeiert. So ist sie nicht nur mit einem Abonnement für alle einschlägigen Jahres-Bestenlisten ausgestattet. In ihrer bislang gut eine Dekade umfassenden Karriere hat sie mehr Auszeichnungen erhalten als manche Jazz-Legende im gesamten Leben. Darunter der 1. Platz bei der Thelonious Monk International Competition, dem wichtigsten Jazz-Wettbewerb der Welt, drei Grammys, der Deutsche Jazzpreis und der auch als „Genie-Preis“ bekannte MacArthur Fellowship, der mit 800.000 US-Dollar honoriert wird. McLorin Salvant ist die perfekte Verbindung von dem, was war, mit dem, was kommen wird. Und das nicht nur als Jazz-Sängerin. Seit Jahren gelingt ihr scheinbar mühelos, woran die Welt um sie herum regelmäßig scheitert: gesellschaftliche Kritik mit Selbstironie zu verbinden und feministischen Aktivismus ohne Belehrung vorzuleben. Das mag auch daran liegen, dass sie selbst nie nur Eines ist. Die Amerikanerin mit haitianisch-französischen Wurzeln, künstlerisch eine Doppelbegabung als Musikerin und bildende Künstlerin, multilingual aufgewachsen, lebt ganz selbstverständlich das, was in aufgeklärten Gesellschaften angestrebt wird: Diversität. Auch musikalisch lässt sie sich nicht auf die Sängerinnen-Rolle reduzieren. Sie ist zugleich ihre eigene Komponistin, Texterin, Bandleaderin, Art Direktorin und Produzentin. 

Vor vielen Jahren saß die etwa 13-jahrige Cecile auf dem Rücksitz eines Autos und war auf dem Weg zu einer Klavier-Prüfung. In ihrem Kopf nur ein Gedanke: „Ich kann kein einziges dieser Stücke auswendig. Ich bin einfach nicht bereit für dieses Vorspiel.“ Die Situation war aussichtslos. In ihrer Panik fiel ihr nur ein Ausweg ein. Ein Autounfall! 

Das wäre die Rettung. Wie ein beschwörendes Mantra sprach sie daher immer wieder vor sich hin: „Autounfall! Autounfall! Autounfall!“ Sie erinnert sich, damals im Wagen sogar eine Art Autounfall-Tanz dazu aufgeführt zu haben. Und dann passierte es tatsachlich: ein Autounfall. Zum Gluck, so die Cecile von heute, habe sie sich damals nur einen „Autounfall“ und keinen „schweren Autounfall“ gewünscht. So blieb es bei einem weitgehend folgenlosen Stoßstangen-Rempler. In einem Interview mit dem Jazz-Pianisten und Blogger Ethan Iverson auf den Vorfall angesprochen, erklärt sie augenzwinkernd: „Mein böser, böser Geist wurde belohnt.“ Denn die Prüfung wurde daraufhin um eine Woche verschoben. „Es war, als hatte man mir das Leben geschenkt. Ich habe dann die ganze Zeit geübt, geübt, geübt und bei der Prüfung wirklich gut abgeschnitten.“ 

Und was genau will uns diese Episode aus dem Leben der „besten Jazzsängerin der letzten Dekade“ (New York Times) sagen? Es waren die eigenen Gedanken, die offenkundig – und angereichert um einen kleinen spirituellen Anteil – eine ziemlich aussichtslose Situation in ihrem Leben spontan geheilt haben. Natürlich wollen wir mit dieser kleinen Geschichte nicht den Eindruck erwecken, das Heilende wurde nicht zwischen guten und schlechten Gedanken unterscheiden. Wir jedenfalls glauben, dass es auf Dauer deutlich sicherer ist, positiv zu denken. Denn darüber, sich einen Autounfall wünschen zu müssen, der das verhindert, ist die Künstlerin zum Glück längst hinaus. 

Cécile McLorin Salvant ist live bei Enjoy Jazz zu erleben im BASF Feierabendhaus am Freitag, 25. Oktober, um 20 Uhr. 

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